Selma Lagerlöf "Das Mädchen vom Moorhof"
Wien [ENA] Der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf (1858-1940) geht es bei der Zeichnung ihrer Charaktere um die ganze Tiefe menschlicher Gefühle und sie lässt diese hinter der Fassade einer bürgerlichen oder bäuerlichen Welt archaisch lodern und glühen. Die Novelle "Das Mädchen vom Moorhof" gründet, wie viele von Lagerlöfs Beziehungsdramen, in der versöhnenden und erlösenden Kraft der Liebe.
In der Strenge der schwedischen Landschaft und Lebensbedingungen entfaltet und prägt diese Gefühlswelt tiefempfindende Menschentypen. So auch Helga Nilsson, das Mädchen vom Moorhof, dass durch ein Unrecht seelisch zutiefst verwundet, bei einem Gerichtsververfahren lieber die Schuld auf sich nimmt, als den Vater ihres Sohnes falsch schwören zu lassen. Sie erringt damit einen moralischen Sieg, der aber letztendlich der Novelle zur psychologischen Tiefe verhilft. Aus diesem inneren Konflikt entspinnt sich nämlich ein äußeres Drama, in dem so großartige Charaktere wie Gudmund oder Hildur entstehen, die in einem komplexen Beziehungsgefüge miteinander verwoben sind und Urkräfte wie Liebe und Hass repräsentieren.
Das meisterhafte Erzählen Selma Lagerlöfs, das sich in vielen Novellen und Romanen entfaltete, wurde 1909 international gewürdigt, in dem Jahr als sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur erhielt. Als Begründung dafür wurde ihr "edler Idealismus, ihr Phantasiereichtum und ihre seelenvolle Darstellungen" genannt. Tief verwurzelt in ihrer Heimat Schweden, war das Thema Geborgenheit und Sicherheit ein wiederkehrendes Motiv in ihren Büchern, wie zum Beispiel in "Liljecronas Heim". Die Angst vor dem Verlust des geliebten Zuhause war ein tiefsitzendes Kindheitstrauma, dass sie mit dem Verlust von Gut Marbacka ihrer Eltern assoziierte und später in ihrem Erstlingswerk "Gösta Berling" verarbeitete.